In Frieden leben

Damit ist heute ausnahmsweise nicht nur der Wunsch nach einer heilen Welt da draußen gemeint. Dabei hätte diese Welt mehr als einen innigen Wunsch nach Frieden verdient und benötigt jeden Gedanken an eine bessere und menschlichere Zukunft.

In den letzten Wochen ist mir auf der spirituellen Ebene mehrfach der Gedanken begegnet, dass das Chaos in der Welt unser inneres Chaos widerspiegelt. Das all das Leid, der Hass und die Zerstörung unserer Lebensgrundlage tatsächlich unsere Stimmung, unsere Gefühlslage spiegelt, wundert mich wenig, ich bin nur nicht ganz sicher, wer das Ei und wer die Henne symbolisiert.

Was können wir tun, wenn wir den Frieden verloren haben? Haben wir ihn eigentlich vorher genug vermisst, um ihn jetzt zu betrauern? Wo sind wir hingegangen, womit haben wir uns beschäftigt, dass uns nicht früher der Gedanke gekommen ist, dass sich etwas ganz ganz wesentliches aus unserem Leben verabschiedet hat.

Jetzt tobt ein Sturm in mir, der alles durcheinanderwirbelt, alles aus den Regalen wirft, was nicht festgeklebt ist. Diese Regale haben alle Namen, in ihnen befinden sich Ideen, Hoffnungen, Träume und Erinnerungen. Ihr müsst nicht glauben, dass zuvor Ordnung in den Regalreihen geherrscht hätte. Es soll ja Menschen geben, die zum Beispiel ihre Bücher nach den Farben der Einbände sortieren, oder sogar nach Namen ihrer Autoren. Ich gehöre ganz sicher nicht dazu. Dennoch habe ich immer alles so ziemlich direkt gefunden, wonach ich gesucht habe, weil ich wusste, wo ich es hingelegt hatte, als ich mich das Mal davor mit meinen Sorgen oder meinen Zielen auseinandergesetzt habe. Der Staub auf manchen Regelböden hat mich selten gestört. Wohlwollend bin ich mit dem Finger über die Staubschicht gefahren, habe mir entfernte Fragen noch einmal gestellt, alte Fotos angeschaut. Wenn ich richtig motiviert gewesen bin, habe ich sogar ausgemistet. Für mich ist es leicht, mich von Altlasten zu trennen. Genauso leicht wie neue Schmuckstücke in meine Sammlung aufzunehmen und diese gut sichtbar auszustellen.

Jetzt stehe ich in Mitten des Chaos‘, das der Sturm angerichtet hat. Altes und Neues liegt verstreut und teilweise kaputt auf dem Boden zerstreut herum. Ich kann mich nicht setzen, ich kann diesen Kreis meines Lebens nicht verlassen, der sich unweigerlich vor mir ausgebreitet hat. Was mache ich jetzt mit diesem Dilemma. Fange ich an aufzuräumen? Schiebe ich die Dinge zur Seite und bahne mir einen Weg aus diesem verwüsteten Zimmer? Einfach mal durchatmen? Soll ich mich fragen, wie diese Naturgewalt Einzug in mein Wohnzimmer halten konnte? Warum gerade mich dieses Chaos trifft?

Ich habe immer gewusst, dass Ordnung halten und Staubwischen nur Momentaufnahmen sein können. Es fühlt sich gut an, den Schätzen und Lastern einen Platz zuzuweisen, dann stellt sich das Gefühl der Kontrolle ein und für einen kurze Weile fühlt sich das Leben friedlich an. Ich habe allerdings schon länger das Gefühl, dass dieser Friede sich zwar täuschend echt anfühlt, aber nichts mehr ist als eine Illusion.

Wer hätte gedacht, dass das Leben so heftig ausholen und zuschlagen kann. Wie sich Ohnmacht anfühlt, weiß ich jetzt.

Was tun, wenn die bekannten Strategien nicht mehr ausreichen, um Sinn zu generieren. Wenn wir anfangen müssen, die wirklich großen Fragen zu stellen. Wenn Angst real wird, wenn Hilflosigkeit immanent wird.

Was kann ich tun, wenn es nicht mehr in Australien brennt, aber dafür in meinem Herzen und in meinem Verstand. Wenn ich feststelle, dass ich das Leben, das ich führe, das wir alle führen, nicht mehr will. Wenn ich das Gefühl habe, dass sich etwas ändern muss und zwar schnell. Die Ordnung hat den Vorhang der Täuschung abgelegt und sich in Verwirrung und Unsicherheit verwandelt. Die vermeintliche Ruhe ist vorbei, auch wenn der Sturm sich gelegt haben mag.

Was jetzt? Frage ich mich. Was tun? Frage ich mich. Weitermachen wie bisher ist in jedem Fall keine Option.

Wer braucht Regale? Wer braucht Ordnung nach Farben? Wer braucht Kategorien? Neu denken, von vorne denken, anders handeln, sich nicht mehr verstecken – ein Anfang?

Ich will nicht in einer Welt leben, in der Menschen Angst davor haben müssen, diskriminiert und bedroht zu werden, weil sie sind, wie sie sind und wer sie sind.

Es ist so verabscheuungswürdig, was hier in unserer Mitte geschieht. Wieso lassen wir das zu? Wieso stehen nicht alle gleichzeitig auf und machen sich auf den Weg, um für eine Zukunft einzustehen, die einer Demokratie gerecht wird. Wieso verharren wir im Unglauben an das, was direkt vor unsere Augen geschieht. Wir dürfen dem Hass keine Angriffsfläche bieten. Wir müssen zusammen stehen und gütig sein. Zwischen uns darf kein Blatt Papier mehr passen. So geschlossen müssen wir durch das Chaos schreiten und neu beginnen. Wir müssen der Anfang sein.

 

Der lange Weg in die Gegenwart

Kennt ihr das auch? Immer wieder nimmt man sich so viele Dinge vor, hat tausend Gedanken im Kopf, viele gute Eingebungen und verspürt einen unbändigen Tatendrang in alle mögliche Richtungen, aber man findet keinen Anfang? Statt sich der Dinge nacheinander anzunehmen, verharrt man in Tatenlosigkeit und ertappt sich auf dem Sofa sitzend ins Nichts starrend und gibt sich seiner zahlreichen Tagträume hin, anstatt aufzustehen und raus in die Welt zu gehen…

Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich einen Blogeintrag geschrieben habe. Ich habe so oft die Lust verspürt, hätte so vieles zu sagen und zu erzählen gehabt, weil sich einige erfreuliche und aufregende Dinge getan haben und ich viel erlebt habe, aber ich habe Mal wieder keinen Anfang gefunden. Gerade habe ich einen flüchtigen Blick auf meinen Kühlschrank geworfen, der mit Postkarten, Einladungen, Eintrittskarten und allerlei Magneten plakatiert ist, und mein Blick ist dabei auf einem Brief haften geblieben. Diesen Brief habe ich ziemlich genau vor einem Jahr an mich selbst geschrieben und ihn dann mit 20 weiteren Briefen in eine Schublade gesteckt…Ihr fragt euch jetzt sicher, welchen Plan ich damit verfolgt habe… Ich kann euch beruhigen, gar keinen. Zumindest keinen Plan für mich. Mein Leistungskurs macht gerade Abitur und ich habe die Schüler vor einem Jahr gebeten einen Brief an ihr zukünftiges Ich zu schreiben, das kurz vor den Abiturklausuren steht. Dies haben die Schüler mit großer Begeisterung gemacht und ich scheinbar damals auch. Als ich diese Briefe vor drei Wochen aus der Schublade gekramt habe, habe ich nicht schlecht gestaunt, als mir mein eigener Brief wieder in die Hände gefallen ist. Ich hatte tatsächlich vergessen, dass ich ebenfalls einen Brief verfasst hatte. Erstaunt war ich vor allem darüber, dass ich scheinbar intuitiv gewusst haben muss, wie es mir heute gehen wird, denn ich habe mir selbst einige sehr passende und weise Worte mit auf den Weg gegeben. Natürlich steckt auch einige Ironie zwischen den Zeilen, aber der grundsätzliche Ton trifft dennoch den gegenwärtigen Gefühlszustand. Ich wusste genau, dass eine Zeit der Veränderung vor mir liegt, als ich mir damals schrieb, dass ich hoffen würde, heute die Konturen meiner Zukunft und der mit ihr verbundenen Träume, Wünsche und Hoffnungen etwas klarer sehen zu können, als zum Zeitpunkt des Verfassens des Briefes. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich las, dass ich eines nicht vergessen solle:

„Ich wünsche mir, glücklich und zufrieden zu sein, Ich selbst zu sein und frei zu sein. Freiheit ist das höchste Gut. Bewahre dir diesen Vorsatz, weiche nicht ab von diesem Weg, der vor dir liegt. Glaube an die Zukunft, vertraue darauf, dass alles gut wird!“

Vergessen werde ich die Bedeutung der Freiheit sicher nie, aber vielleicht ist dieser Gedanke, ist dieser privilegierte Zustand, nicht immer präsent, dringt nicht immer bis an die Bewusstseinsschwelle. In Zeiten wie diesen ist es kaum möglich, den Wert der Freiheit zu wenig zu betonen. Ich habe sogar das Gefühl, dass wir uns dessen trotz Wohlstandsgesellschaftsdenken langsam aber sicher alle immer bewusster werden, denn die Freiheit ist bedroht und das spüren wir. Ich war sehr stolz am letzten Wochenende, als ich beobachte konnten, mit wieviel Hingabe und friedliebenden Enthusiasmus die Kölner für die Bewahrung von Vielfalt, Offenheit und Toleranz auf die Straße gezogen sind, um zu singen und zu tanzen und das Leben zu feiern, das wir in einer Demokratie leben dürfen.

Freiheit bedeutet aber auch gedanklich frei zu sein. Dies ist es auch, was ich vor einem Jahr gemeint habe, als ich mir den obenstehenden Rat gegeben habe. Auch dieser Zustand birgt wichtige Güter. Nämlich die Eigenständigkeit und die Unabhängigkeit. Unabhängig zu werden ist vielleicht gar nicht das Schwerste. Ich habe im vergangen Jahr festgestellt, dass es zumindest für mich schwieriger gewesen ist, unabhängig zu sein. Ich hätte nicht gedacht, dass es einer so langen Zeit voller kritischer Gedanken bedarf, bis ich mich auch innerlich mit diesem Zustand wohl fühle und wieder im reinen mit mir  bin. Ich habe lange Zeit meiner letzten Beziehungen hinterhergetrauert, der ich aus freiem Willen und aus tiefster Überzeugung ein Ende gesetzt hatte. Doch prompt war ich frei und unabhängig, hat mein inneres Kind angefangen zu rebellieren, mich zu beschimpfen, mein Selbstwertgefühl mit Kritik und Zweifeln zu überhäufen und mich in ein verdammt unwägbares Tal zu schupsen, aus dessen Sumpf sich heraus zu kämpfen, so verdammt harte Arbeit war. Dankbar dafür bin ich heute auch nur bedingt, was aber nicht bedeutet, dass ich nicht einige Lektionen habe lernen können, die mich auf die Zukunft mit mir selbst vorbereitet haben. Dass ich jetzt endlich in dieser Zukunft angekommen bin, ist zumindest für mich ein erhebendes Gefühl. Ich wusste schon immer, dass ich ein Beziehungsmensch bin und ich sehr gut in Beziehungen funktioniere, weil ich mich gut auf andere Menschen einstellen kann. Es hat bis hier her gedauert zu lernen, auch alleine wieder ich selbst zu sein, nur eben eine andere Facette von mir selbst, die ich erst (wieder-)entdecken musste. Die spannende Reise zum eigenen Ich ist wahrscheinlich nie ganz abgeschlossen. An sich zu arbeiten und sich weiterzuentwickeln gehört zu dem universalen Bedürfnis des Menschen zu Lernen dazu, keine Frage. Obwohl man sich selbst so nahesteht, nimmt es doch einige Reflexionsrunden und hermeneutische Zirkel in Anspruch, bis man überhaupt auch nur in die Nähe des existentiellen Denkens über die eigene Person – Wünsche, Träume, Hoffnungen, innere Glaubenssätze und Überzeugungen – gelangt. Ich kann diese Reise nur empfehlen, wenngleich ich nicht gedacht hätte, wieviel Überwindung es kostet, sich selbst kennenzulernen. Ich denke, dass ich heute eine neue Beziehung oder das Kennenlernen eines potentiellen neuen Partners doch anders erleben werde, als das noch vor einem Jahr der Fall gewesen ist. Die Perspektive hat sich deutlich erweitert und das Mehr an Verständnis für mich selbst hat mich gelehrt, dass die Unabhängigkeit einer anderen Person genauso schützenswert und wichtig ist, wie die meinige. Positiv für mich waren vor allem die Reisen, die ich im letzten Jahr erleben dürfte. Eigenständigkeit bedeutet unter anderem auch, Entscheidungen zu treffen, für die man die alleinige Verantwortung übernimmt. Ich habe in der Vergangenheit immer behauptet, ich könne keine Entscheidungen treffen. Heute weiß ich, das war glatt gelogen. Ich wollte keine Entscheidungen treffen. Auf meiner „Lebens-to-do-Liste“ aus dem ersten Blogeintrag steht, dass ich keine Angst mehr haben möchte. Diese Formulierung ist sehr allgemein gehalten, aber ich kann mit Stolz sagen, dass es gelungen ist, einige Ängste, die vielleicht auch mehr Unsicherheiten gewesen sind, abzuschütteln. Sich selbst zu zeigen, was man kann, ist wesentlich schwerer, als anderen Menschen zu zeigen, was sie leisten können. Heute kann ich mich auch in meine Schüler besser hineinversetzen, wenn sie an sich selbst zweifeln und kein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten besitzen. Ich war der Auffassung, wie die meisten Erwachsenen, dass einfach nur ein guter Zuspruch nötig ist und ein wenig Motivation und dann läuft schon alles. Jetzt weiß ich, dass man gegen falsche innere Überzeugung nur mit viel Arbeit und Durchhaltevermögen und Zuversicht angehen kann und dass es eben Zeit braucht, bis man die eigene Wahrnehmung dauerhaft verändern kann.

Wieder in der Rolle des Schülers zu sein ist nicht immer leicht und angenehm, aber eröffnet die Möglichkeit, die Veränderbarkeit der Welt und die eigene Weiterentwicklung wirklich zu spüren und darauf zu vertrauen, dass neue Ziele erreicht und die eigenen Wünsche und Träume verwirklicht werden können.

Danke altes Alter Ego für deine Zuversicht!

Wieder Abschied nehmen

Wie gut es tut, sich richtig zu streiten. Natürlich unter der Prämisse, dass die Basis nicht ins Wanken gerät. Streitkultur ist nicht nur auf globaler Ebene wichtig für die Demokratie und die politische Partizipation sowie die gesellschaftliche Entwicklung, sondern auch auf der persönlichen Ebene. Um auf den berühmten gemeinsamen Nenner zu kommen, ist oftmals eine intensive Auseinandersetzung über persönliche Ansichten, Ängste und Grenzen erforderlich. So sehr ich Harmonie zu schätzen weiß, so wichtig bleibt mir dennoch der ehrliche und aufrichtige Umgang in zwischenmenschlichen Beziehungen, auch wenn das bedeutet, dass zuweilen Funkstille herrscht.

Doch was passiert, wenn keine Partei bereit ist, den eigenen Stolz beiseite zu lassen, um den Kontakt wieder aufzunehmen? Wenn die Situation so prekär oder die Meinungsverschiedenheiten so unüberwindbar scheinen, dass nach dem Sturm keine Einigung erfolgt, keine Annäherung mehr möglich ist?

Noch schlimmer, was passiert, wenn keine Zeit mehr bleibt, um sich wieder zu vertragen? Wenn wir vor die Tatsache gestellt werden, dass der Mensch, mit dem wir keinen Kontakt mehr haben, aus dem Leben gerissen wird?

In meiner Familie hat es diesen Fall gegeben. Und was jetzt bleibt ist nicht nur Fassungslosigkeit und Trauer, sondern auch unbändige Wut darüber, dass man nicht früher gehandelt hat. Jeder Tag hätte der Tag sein können, an dem man zum Telefonhörer greift und den ersten Schritt macht. Natürlich mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Wohlwissend, dass dieser Versuch auch nach hinten losgehen kann und man nichts erntet außer einer Abfuhr oder Schweigen. All dies scheint mir jetzt eine verschwindend geringe Gefahr zu sein im Angesicht der Tatsache, dass ich keine Möglichkeit mehr haben werde zu erfahren, was passiert wäre. Wenn ich mir mehr Zeit genommen hätte zu bemerken, wie viel Zeit vergangen ist, dann müsste ich jetzt nicht damit leben einen lieben Menschen verloren zu haben, dem ich nicht mehr sagen konnte, wie dankbar ich ihm für alles gewesen bin, was er getan und bewirkt hat.

Hätte ich mir nicht nur Zeit genommen, sondern mich ernsthaft mit der Perspektive dieses Menschen auseinandergesetzt, dann hätte ich wohl nicht nur mir Leid erspart, sondern auch meinem Gegenüber, darüber bin ich mir bewusst und mit dieser Schuld muss ich jetzt leben.

„Jetzt ist es zu spät“. Und wieder Mal erhält eine sprachliche Wendung eine erweiterte persönliche Bedeutung für mich. Es ist nun nicht mehr nur zu spät, um noch pünktlich zu kommen oder zu Abend zu essen, sondern es ist gänzlich zu spät. Der Zeitpunkt kommt nie wieder zurück, nicht morgen, nicht nächste Woche und auch nicht nächster Jahr. Ohnmacht ist ein nahezu unerträglicher Zustand. Wenn ich mich nicht so wichtig genommen hätte, dann hätte ich die Macht besessen, etwas zu ändern, präventiv und umsichtig zu handeln. Ich habe eine entscheidende Chance im Leben verpasst. Mal wieder. Dabei war ich der Überzeugung, ich hätte meine egozentrische Seite im Griff. Schade. Sehr schade sogar.

Was bleibt ist in diesem Zusammenhang nicht viel. Es ist nur gerecht, dass ich nun machtlos zurückbleibe. Ich hätte Verantwortung übernehmen können und habe aber die Resignation, den Stolz und die Bequemlichkeit sowie das Vergessen gewählt. Diese Entscheidung fordert nun ihren Tribut. Das hätte ich wissen müssen. Man kann eben scheinbar doch nicht alles in Gänze bedenken und weiterdenken und zu Ende denken. Mensch sein ist nicht leicht.

Das Leben leben lassen

Lang lang ist’s her…und jetzt weihnachtet es auch schon wieder sehr. Dies bringt kurz und knapp auf den Punkt, wie stressig die letzte Zeit war und wie immer in solchen Zeiten, fehlt die Ruhe und die Beharrlichkeit sich den wichtigen Dingen im Leben zu widmen. Auch wenn die Weihnachtszeit die Zeit der Besinnlichkeit und inneren Einkehr ist, so werden wir doch jedes Jahr aufs neue eindrucksvoll in den Strudel der Werbemacher gezogen, die nicht müde werden uns zu suggerieren, dass wir erst dann gute Freunde, Eltern oder Nachbarn sind, wenn wir das passende Geschenk zur rechten Zeit am Ziel abliefern.

Das Leben leben lassen bedeutet heute Abend für mich, sich auf eine andere abenteuerliche Reise einzulassen. Die Reise zu sich selbst. Ja ja, ich weiß, jetzt seufzen wieder einige tief und denken sich, was soll dieser ganze Unsinn mit dem Selbstfindungstripp? Keine Ahnung. Denn wenn ich das wüsste, dann würde ich mich sicher nicht auf die Reise begeben. Ich weiß nicht, ob ihr euch noch erinnert, aber auf meiner To-do-Liste im ersten Blogeintrag in diesem Jahr stand, dass ich keine Angst mehr haben möchte, vor allem vor Veränderung. Dazu gehört sicherlich auch, keine Angst mehr vor der Frage zu haben, was man vom Leben erwartet. Wenn man diese Frage ernst nimmt, dann bleibt am Ende keine Wahl. Dann muss man sich zwangsläufig auf einen Weg begeben und sehen, wohin er geht. Die Einsicht, die ich gewonnen habe, ist die: Ich kenne weder den Weg noch das Ziel. Das ist schon deprimierend. Sicher ist nur, dass sich etwas verändert und das ist gut. Das ich diese Tatsache akzeptiert habe, ist ein Fortschritt, zumindest für mich. Auf der Liste stand auch ein Tattoo, genauer gesagt ein Tattoo auf dem Allerwertesten. Um ehrlich zu sein, hatte ich keinen Plan davon, wie schwierig es ist, einen Tätowierer zu finden, der das Motiv der Wahl sticht und auch in dem Stil, wie man es gerne hätte. Geschweige denn hatte ich irgendeine Ahnung, wie teuer das ganze Unterfangen ist. Das Ergebnis kann sich allerdings sehen lassen. Jedoch nicht auf dem Hintern, sondern auf dem Rücken…sonst hätte es sich um pure Verschwendung gehandelt.

Mein Herz ist übrigens auch wieder gebrochen, obwohl ich dachte, ich sei über jegliche Enttäuschung erhaben. Das Gute daran ist, dass ich langsam beginne zu verstehen. Nicht die Welt, auch nicht die Liebe oder gar die Männer, nein, ich beginne zu verstehen, wer ich bin und warum ich Dinge tue und andere wiederum nicht. Ich habe bereits berichtet, dass ich nicht alleine sein kann. Jetzt liegen sechs Monate Singledasein hinter mir. Ich beginne langsam zu verstehen, dass ich stets auf der Suche war nach einem potentiellen neuen Partner. Ganz gleich, ob ich mir selbst vorgemacht habe, genau das nicht zu sein. Vielleicht gelingt es mir ja jetzt, nach einer schmerzvollen Zurückweisung, endlich zu akzeptieren, dass ich so bin, wie ich bin und dass ich alleine bin und es auch noch eine Weile bleiben werde UND mir das auch genauso selbst ausgesucht habe. Na dann herzlichen Glückwunsch und frohe Weihnachten!

Zukunft, Reise und Angst vor der eigenen Courage

Ich war gerade eine Woche auf Studienfahrt in Prag. Ist auf jeden Fall eine Erfahrung wert, mit halbwegs erwachsenen Schüler, die laut tschechischem Jugendschutzgesetz erst mit 18 Jahren Bier trinken dürfen, eine Abschlussfahrt nach Prag zu machen…ohne Worte, ich weiß, aber das Fahrtenkonzept unserer Schule sieht das eben so vor und als brave Beamtin folgt man natürlich den Richtlinien:) Den Schülern hat es auf jeden Fall trotz Regen und Kälte gut gefallen…ihr könnt euch sicher vorstellen warum 🙂

Nun steht eine weitere Reise an, meine erste richtige Fernreise wenn man so möchte. Es geht nach Israel. Für mich als Geschichtslehrerin ist dieses Unterfangen sicher etwas ganz besonderes und sehr aufregend. Vor allem aber weil ich noch nie den europäischen Raum verlassen habe und dann gehts direkt in ein politisch sehr instabiles Gebiet, dementsprechend panisch bin ich. Der so genannte „Nahe Osten“ ist für mich bis jetzt ein abstrakter Begriff, wenngleich ich mich jeden Tag darüber ärgere, wie unfassbar abgestumpft ich bin, wenn es um die tagesaktuellen Meldung geht, die uns hinsichtlich des Nahost-Konflikts täglich erreichen. Ich mache mir sicher keinerlei Vorstellung davon, wie es ist, in einem Land zu leben, das seit jeher so zerrüttet ist und in dem Krieg und Tod und die Bewältigung einer unfassbar traurige Geschichte auf der Tagesordnung stehen.

Ich werde gerade ein bisschen panisch, wenn ich darüber nachdenke, in welche Gefahr ich mich begebe, auch wenn ich weiß, dass jetzt einige genervt die Augen verdrehen, aber für mich fühlt es sich zumindest so an. Im Grunde ist diese Reise ein wichtiger Schritt für mich, weil es zu meinem Plan gehört, Ängste zu überwinden. Und ja ich habe Angst, ständig, nach jeder Meldung über ein Attentat, die uns erreicht. Mit ist sicherlich bewusst, dass man nirgends auf der Welt wirklich sicher ist und ich hasse dieses Gefühl. Diese schleichende Furcht, die lähmt und verwirrt. Wir sind in Frieden aufgewachsen und ich erkenne erst jetzt, welches Geschenk diese friedvolle Zeit gewesen ist. Aber eben in gewisser Hinsicht auch ein Trugschluss. Denn Frieden sollte allen Menschen vergönnt sein und wirklich glücklich und zufrieden dürften wir alle erst sein, wenn Sicherheit und Unbeschwertheit für jeden Menschen auf der Welt garantiert wären. Utopie hin oder her, ich wünsche mir diesen Zustand schon immer und ich gebe die Hoffnung nicht auf. Viel beigetragen habe ich sicherlich nicht, aber ich möchte wenigstens verstehen und mitfühlen können, das schulde ich der Mitmenschlichkeit, deren Empfinden uns doch alle auszeichnet.

Ich bin so aufgeregt, hoffnungsvoll und gespannt, was mich erwartet. Ich werde berichten.