In Frieden leben

Damit ist heute ausnahmsweise nicht nur der Wunsch nach einer heilen Welt da draußen gemeint. Dabei hätte diese Welt mehr als einen innigen Wunsch nach Frieden verdient und benötigt jeden Gedanken an eine bessere und menschlichere Zukunft.

In den letzten Wochen ist mir auf der spirituellen Ebene mehrfach der Gedanken begegnet, dass das Chaos in der Welt unser inneres Chaos widerspiegelt. Das all das Leid, der Hass und die Zerstörung unserer Lebensgrundlage tatsächlich unsere Stimmung, unsere Gefühlslage spiegelt, wundert mich wenig, ich bin nur nicht ganz sicher, wer das Ei und wer die Henne symbolisiert.

Was können wir tun, wenn wir den Frieden verloren haben? Haben wir ihn eigentlich vorher genug vermisst, um ihn jetzt zu betrauern? Wo sind wir hingegangen, womit haben wir uns beschäftigt, dass uns nicht früher der Gedanke gekommen ist, dass sich etwas ganz ganz wesentliches aus unserem Leben verabschiedet hat.

Jetzt tobt ein Sturm in mir, der alles durcheinanderwirbelt, alles aus den Regalen wirft, was nicht festgeklebt ist. Diese Regale haben alle Namen, in ihnen befinden sich Ideen, Hoffnungen, Träume und Erinnerungen. Ihr müsst nicht glauben, dass zuvor Ordnung in den Regalreihen geherrscht hätte. Es soll ja Menschen geben, die zum Beispiel ihre Bücher nach den Farben der Einbände sortieren, oder sogar nach Namen ihrer Autoren. Ich gehöre ganz sicher nicht dazu. Dennoch habe ich immer alles so ziemlich direkt gefunden, wonach ich gesucht habe, weil ich wusste, wo ich es hingelegt hatte, als ich mich das Mal davor mit meinen Sorgen oder meinen Zielen auseinandergesetzt habe. Der Staub auf manchen Regelböden hat mich selten gestört. Wohlwollend bin ich mit dem Finger über die Staubschicht gefahren, habe mir entfernte Fragen noch einmal gestellt, alte Fotos angeschaut. Wenn ich richtig motiviert gewesen bin, habe ich sogar ausgemistet. Für mich ist es leicht, mich von Altlasten zu trennen. Genauso leicht wie neue Schmuckstücke in meine Sammlung aufzunehmen und diese gut sichtbar auszustellen.

Jetzt stehe ich in Mitten des Chaos‘, das der Sturm angerichtet hat. Altes und Neues liegt verstreut und teilweise kaputt auf dem Boden zerstreut herum. Ich kann mich nicht setzen, ich kann diesen Kreis meines Lebens nicht verlassen, der sich unweigerlich vor mir ausgebreitet hat. Was mache ich jetzt mit diesem Dilemma. Fange ich an aufzuräumen? Schiebe ich die Dinge zur Seite und bahne mir einen Weg aus diesem verwüsteten Zimmer? Einfach mal durchatmen? Soll ich mich fragen, wie diese Naturgewalt Einzug in mein Wohnzimmer halten konnte? Warum gerade mich dieses Chaos trifft?

Ich habe immer gewusst, dass Ordnung halten und Staubwischen nur Momentaufnahmen sein können. Es fühlt sich gut an, den Schätzen und Lastern einen Platz zuzuweisen, dann stellt sich das Gefühl der Kontrolle ein und für einen kurze Weile fühlt sich das Leben friedlich an. Ich habe allerdings schon länger das Gefühl, dass dieser Friede sich zwar täuschend echt anfühlt, aber nichts mehr ist als eine Illusion.

Wer hätte gedacht, dass das Leben so heftig ausholen und zuschlagen kann. Wie sich Ohnmacht anfühlt, weiß ich jetzt.

Was tun, wenn die bekannten Strategien nicht mehr ausreichen, um Sinn zu generieren. Wenn wir anfangen müssen, die wirklich großen Fragen zu stellen. Wenn Angst real wird, wenn Hilflosigkeit immanent wird.

Was kann ich tun, wenn es nicht mehr in Australien brennt, aber dafür in meinem Herzen und in meinem Verstand. Wenn ich feststelle, dass ich das Leben, das ich führe, das wir alle führen, nicht mehr will. Wenn ich das Gefühl habe, dass sich etwas ändern muss und zwar schnell. Die Ordnung hat den Vorhang der Täuschung abgelegt und sich in Verwirrung und Unsicherheit verwandelt. Die vermeintliche Ruhe ist vorbei, auch wenn der Sturm sich gelegt haben mag.

Was jetzt? Frage ich mich. Was tun? Frage ich mich. Weitermachen wie bisher ist in jedem Fall keine Option.

Wer braucht Regale? Wer braucht Ordnung nach Farben? Wer braucht Kategorien? Neu denken, von vorne denken, anders handeln, sich nicht mehr verstecken – ein Anfang?

Ich will nicht in einer Welt leben, in der Menschen Angst davor haben müssen, diskriminiert und bedroht zu werden, weil sie sind, wie sie sind und wer sie sind.

Es ist so verabscheuungswürdig, was hier in unserer Mitte geschieht. Wieso lassen wir das zu? Wieso stehen nicht alle gleichzeitig auf und machen sich auf den Weg, um für eine Zukunft einzustehen, die einer Demokratie gerecht wird. Wieso verharren wir im Unglauben an das, was direkt vor unsere Augen geschieht. Wir dürfen dem Hass keine Angriffsfläche bieten. Wir müssen zusammen stehen und gütig sein. Zwischen uns darf kein Blatt Papier mehr passen. So geschlossen müssen wir durch das Chaos schreiten und neu beginnen. Wir müssen der Anfang sein.

 

Bridge

Bridge

Die Sonne schien auf das dunkle Kopfsteinpflaster. Er blinzelte nicht. Ruhig stand er da, das Gesicht dem Himmel zugewandt. Die Einkehr zu sich selbst.

Um ihn herum bewegte sich das Leben. Eine Mutter schob ihren Nachwuchs durch die Straße, die vom Marktplatz abging. Eine andere Frau wiegte ihre Einkaufstaschen hin und her. Einige Studenten hielten einen Plausch auf ihren Fahrrädern und lachten laut.

Er aber befand sich in einer Blase, die ihn von allem abschirmte, dachte sie. Ihr kam es so vor, dass er minutenlang dort stand. Aus dem Hauseingang konnte sie ihn gut beobachten. Sie lehnte an der Backsteinwand, die ihren Rücken kühlte. Sie hatte bereits geschwitzt, als sie heute Morgen aufgewacht war. Einige Zeit waren die Nächte traumlos vorübergegangen und etwas Erholung hatte eingesetzt. Doch diese Nacht hatte sie um Meilen zurückgeworfen, das spürte sie. Wieder war er in ihren Träumen aufgetaucht, wie ein Wal aus ruhigem Gewässer auftaucht. Niemand erahnt , wie viel Wasser dieses riesige Tier zu verdrängen vermag, wenn sich der gesamte Körper an die Oberfläche schiebt.

Sie staunte immer noch über die Kraft und den Phantasiereichtum ihres Unterbewusstseins. In dieser Nacht hatte sie hoch oben auf einem der Brückenpfeiler der Brooklyn Bridge gelehnt, auf der sie wie selbstverständlich gestanden hatte. Im Leben ließ ihre Höhenangst das Besteigen einer einfachen Autobahnbrücke nicht zu. Dort hatte der Wind mit ihren Haaren gespielt und war um ihre Hüften gepeitscht. Doch sie genoss das Gefühl im Traum schwerelos zu sein. Entspannt mit geschlossenen Augen hatte sie ihre Arme den Windböen entgegengestreckt und begann zu tanzen. Über die ganze Länge der Brücke bewegten sich ihre Füße, trugen sie unbeschwert bis zum anderen Ende. Die Sterne hatten ihrem Tanz zugesehen und gelächelt. Es war leicht gewesen – bis die Brücke begonnen hatte zu wanken. Erst ganz sanft im Rhythmus des Windes. Dann mit mehr Schwung in größeren Bögen. Ihr Körper hatte versucht sich den Wogen anzupassen, frei zu schwingen. Die Schwerkraft ließ allerdings keinen Zweifel daran, wer siegen würde. Als sie im Traum die Augen öffnete, schwand die Hingabe und Furcht kroch an ihren Beinen herauf.

Im Wasser stand er auf einem weißen Segelboot, das aus der Höhe noch gut zu erkennen war. Das Flusswasser unter ihr war so dunkel wie der Himmel nur bedrohlicher. Sie wollte nicht gerettet werden. Sie wollte nicht die Hilflose sein, die ihren eignen Traum nicht kontrollieren konnte.

 

Er stand nur da und sah sie an. Das Boot lag unbewegt im Wasser. Sie wollte fliehen, begann zu rennen. Ihr wurde klar, sie würde springen müssen. Der Wind hob die Brücke an und drückte sie auf die Seite, auf der er im Boot auf sie wartete. Sie wählte die entgegengesetzte Seite, kletterte an dem Geländer herauf und schwang ihre Beine über den Rand, sodass sie aus dem Sitzen abspringen konnte. Sie schloss ihre Augen wieder und drückte sich ab. Der Fall war kürzer als gedacht. Das Wasser umfing sie und zog sie mit sich. Es war kalt. Sie öffnete ihre Augen, breitete ihre Arme aus und schwamm in Richtung Oberfläche, denn die Sterne wiesen ihr den Weg. Luftblasen säumten ihren Aufstieg, der keiner war. Ihre Lunge presste die Luft in den Fluss. Lange würde sie so nicht weiter schwimmen können. Aus irgendeinem Grund kam die Oberfläche nicht näher. Die Erkenntnis kam zu spät. Panisch aber mühsam drehte sie ihren schweren Körper, doch beim Ausatmen versiegte der Strom der Wasserblasen. Nun schwamm sie auf dem Rücken, ihre Augen fest auf die Wasseroberfläche gerichtet, während sie langsam auf den Grund sank.

Keuchend hatte sie das Licht auf ihrem Nachtisch angeschaltet und sich mit den Handflächen von der Stirn über die Haare gestrichen. Halb vier. Dieses Arschloch! Es konnte doch nicht sein, dass er in diesem Moment, der nur ihr gehört hatte, aus dem Nichts auftauchte. Sie brauchte ihn nicht. Sie hatte ihn und seine Besonnenheit aus ihrem Leben verbannt. Jetzt suchte er sie in ihren Träumen auf, um ihr etwas zu sagen.

Als er die Augen öffnete, sah er sie nicht an. Ein Lächeln in seinem Mundwinkel verbogen zog er sein Handy aus der Tasche. Ein kurzer Blick. Er sah sich auf dem Vorplatz um, als käme nun auch zu ihm die Realität zurück, die alle anderen umgab. Er schob seinen Rucksack über die Schultern und kehrte ihr den Rücken zu. Sie sah ihm nach. Dann trat sie in das Sonnenlicht und schützte ihre Augen mit einer Sonnenbrille. Das Severinsgässchen lag in der entgegensetzten Richtung. Dort lag ihr Weg.

 

 

Feels like a stranger

Eigentlich fällt es mir leicht, mich in andere Menschen hineinzuversetzen. Aber mit der Empathie ist das so eine Sache. Manchmal fließt sie durch mich hindurch und ich zweifele keinen Moment an meinem Eindruck, den ich von meinem Gegenüber gewonnen habe. Im Laufe der Zeit bestätigt sich meine Einschätzung und ich grinse still in mich hinein. Dann kommt auch ein Gefühl des Stolzes auf. Wie cool, dass ich diese Fähigkeit besitze. So kann ich entscheiden, mit welchen Menschen ich mich umgeben möchte.

Wenn ich meine Empathie nicht hätte, wer weiß, dann hätten sich vielleicht die Freundschaftsbänder nicht geknüpft, die mich heute halten, wenn ich im Begriff bin zu fallen und die ich festhalte, wenn ein Freund droht seinen Halt zu verlieren. Wahrscheinlich hätte ich auch nicht so viel über die Menschen an sich lernen können und wäre vermutlich auch keinen Deut schlauer aus mir selbst geworden als ich es in der Pubertät gewesen bin.

Irritiert bin ich vor allem dann, wenn Menschen etwas unternehmen, mit dem ich gar nicht gerechnet hätte. Dann sträubt sich etwas in mir dies hinzunehmen und ich muss mir eingestehen, dass jeder Mensch voller Überraschungen steckt, nicht alles vorhersehbar ist und dies auch gut so ist. Die Menschen in meinem Leben sind schließlich alle frei und keine Marionetten meiner Empfindungen und Gedanken.

Jetzt komme ich zum Punkt. Bei manchen Menschen gewinne ich zunehmend den Eindruck, dass sie genau diesen entscheidenden Punkt anders sehen.

Zum Glück bin ich nicht der einzige Mensch auf dieser Welt, der emphatisch ist. Einige wenige unter uns scheinen sich allerdings den „Spaß“ zu machen, diese Gabe für die eigenen Zwecke einzusetzen. Sie manipulieren und steuern Menschen in die Richtung, in der sie nach ihrer Ansicht den richtigen Platz finden. Wie ein Wettergott, der nach Belieben Schiffe durch die Bewegung der Wellen und kräftigen Wind über das Meer treibt. Dies ist zugegebenermaßen beängstigend.

Was tun, wenn nun jemand in die Fänge eines wetterbeherrschenden, also manipulierenden Menschen gerät? Das schwerste ich sicherlich zu erkennen, dass dies gerade geschieht. Denn es tut gut, Aufmerksamkeit geschenkt zu bekommen. Vielleicht ist auch die ein oder andere Schmeichelei dabei oder aber ein passendes Kompliment.

Wir vertrauen unsere Gedanken, die das Herz bewegen, nicht leichtsinnig anderen Menschen an.  Für den einen gilt dies vielleicht mehr als für den nächsten. Wir sind auf der anderen Seite aber empfänglich und offen, wenn unser Gesprächspartner das Gefühl von Interesse vermittelt, dann fühlen wir uns gesehen und wertgeschätzt für unsere Persönlichkeit und unser Handeln.

Doch genau hier lauert die geschmückte Gefahr. Das Interesse des Gegenübers ist tatsächlich da. Es ist jedoch zweckgebunden und auf eine bestimmtes Ziel gerichtet. Natürlich sind die wenigsten Menschen letztlich wirklich selbstlos. Mit dem Altruismus verhält es sich so wie mit dem Kommunismus. Ideale, nach denen das soziale Miteinander gestaltet sein könnte, bleiben Ideale. Menschen verspüren in der Regel den Drang sich selbst zu verwirklichen. Wir wollen unseren eigenen Weg gehen, um zu wachsen, anerkannt zu werden und erfolgreich zu sein. Die Welt bietet uns alle Möglichkeiten dazu. Da wird es nicht leichter zu Gunsten des Gemeinwohls auf individuelle Entfaltung zu verzichten. Doch wie ist es mit der Verantwortung für die Empathie bestellt?

Es ist sicher verlockend, seine Gabe auszunutzen und manchmal vielleicht auch ein schmaler Grad zwischen Mitgefühl und Grenzüberschreitung. Deshalb ist es wichtig auch Menschen, die wir sehr gut zu kennen glauben, jedes Mal aufs neue gut zuzuhören. Die Bilder in unserem Kopf zu prüfen, sie zu modifizieren, um dann irgendwann an den Punkt zu gelangen, sich von den Bildern und Überzeugungen, die wir von und über andere besitzen, ganz zu lösen.

Das geben eines guten Rates ist eine vertrauensvolle Angelegenheit und nie frei von subjektiven Sichtweisen, darum machen wir Erfahrungen, die wir dann teilen können. Es bleibt jedoch eine Notwendigkeit unser Gegenüber und seine Entscheidungen nicht zu bewerten, zumindest in dem Sinne, dass wir dabei von uns und unseren Gefühlen ausgehen.

Wenn der emphatische Mensch an unserer Seite mehr von sich und weniger von uns ausgeht, ist jeder gut beraten einen Schritt zurückzutreten und zu reflektieren, welche Intentionen hier verfolgt werden.

Am Ende kennen wir bereits die Antwort auf unsere Fragen. Es ist aber okay, sich absichern zu wollen. Welchen Weg wir schließlich einschlagen wollen, liegt jedoch immer bei uns. Den Respekt vor Entscheidungen können wir uns aber nur selbst eingestehen.

Auch wenn es oft, vermutlich auch in eurem Leben. stürmisch zugeht, sollten wir uns nicht das Ruder aus der Hand nehmen lassen. Und wenn es ganz heftig wird, können wir einen Anker werfen, Rettungsbote gibt es vielleicht auch und schließlich können wir uns selbst auf die Schulter klopfen und den nächsten erbeten Rat guten Gewissens weitergeben.

 

Let it be!

Warum fällt es uns so schwer, die Dinge auf uns zukommen zu lassen? Warum haben wir Angst vor der Zukunft? Wieso ängstigen uns die Konsequenzen, die unsere Entscheidungen nach sich ziehen? Weshalb zögern wir, wenn uns eine unüberhörbare innere Stimme sagt, was wir tun können? Warum trauen wir uns nicht das zu, was andere schon längst in uns erkannt haben? Und – warum lassen wir uns ständig verunsichern, wenn unser Gegenüber uns versucht zu suggerieren, dass unsere Überzeugungen und Einstellungen nicht der Norm entsprechen, nicht kompatibel sein sollen oder schier falsch seien?

Auf all diese Fragen gibt es zahlreiche sinnvolle Antworten. Antworten, die uns Psychologen, Coaches und Freunde geben können. Es kommt aber wie so oft nicht auf die Qualität der Antworten an, sondern auf unsere Haltung diesen gegenüber. Sind wir bereit für die Wahrheit? Und – gibt es eine objektive Wahrheit? Gibt es ein Schwarz oder Weiß? Gibt es immer ein Falsch oder Richtig? Oder existieren ausschließlich subjektive Wahrnehmungen, die manchmal zufällig kongruent sind und andernfalls meilenweit voneinander entfernt?

Mögen unsere Gedanken auch determiniert sein von unserer Lebenswirklichkeit, Konventionen, Erfahrungen und Erziehungen, wir kennen die Antworten, die wir selbst auf diese zu Anfang gestellten Fragen geben würden und vor allem kennen wir unsere persönliche Wahrheit. Wir wissen, was wir wollen, lange bevor uns das Leben die Gewissheit darüber lehrt. Also, warum warten, bis das Schicksal seinen Job macht? Wieso nicht handeln und schauen, wohin uns unsere Entscheidungen führen? Warum nicht auf uns selbst vertrauen? Was kann passieren – im worst case – wenn wir uns falsch entscheiden? Ganz ehrlich? Der größte Gegner für uns alle sind wir selbst. Wenn wir auf unsere innere Stimme hören, bleibt kein anderer Weg, als selbst gerade zu stehen, für alles, was folgt, für alles Wunderbare und für alle Fehler.

Gerade den Menschen die wir lieben, stehen wir oft besonders kritisch gegenüber. Wir wünschen uns, dass wir verstanden werden, dass unsere Bedürfnisse gewürdigt werden.  Aus einer anderen Perspektive betrachtet wünschen wir uns jedoch angenommen zu werden, wie wir sind. Wir möchten, dass unsere Grenzen akzeptiert werden und wir dennoch geschätzt werden für das, was wir sind und leisten. Wie also umgehen mit diesem offenkundigen Dilemma?

Wieder einmal kann das Englische mein Denken und Fühlen besser ausdrücken als es das Deutsche vermag:

LET IT BE!

Es ist eine Kunst als vernunftsbegabter Mensch loszulassen und keine Labels zu verteilen. Wir wollen nicht bewertet und beurteilt werden. Also sollten wir es tunlichst unterlassen, unsere Entscheidungen und unser Handeln unmittelbar zu bewerten, abzuwerten und zu beurteilen. So kann kein Raum entstehen für Veränderungen, für Überraschungen und für Schöpferkraft. Wir sind Meister darin abzuwägen und vernünftig zu sein. Wir sind demütig, wenn unsere Gesprächspartner uns, wenn auch liebevoll, klassifizieren. Das sollten wir aber nicht sein. Wir sollten wir selbst sein. Wir sollten akzeptieren, wer wir sind und dann das beste daraus machen. Wir müssen anderen nicht gefallen. Niemand kann uns zu einer besseren Version unsere selbst machen.

Niemand – nur wir selbst.

Wir wissen, welche Version unserer Selbst die Beste ist. Das sollten wir nie vergessen. Selbstvertrauen ist eine wahre Herausforderungen, weil wir uns nicht immer hundertprozentig über den Weg trauen. Wir kennen uns selbst besser, als jeder Mensch uns je kennenlernen wird. Das ist von Zeit zu Zeit eine Bürde, aber im besten Fall steckt genau darin das größte Potential unseres Lebens, wenn wir mutig genug sind, uns selbst mit allen Schwächen und Stärken anzunehmen. Auch wenn eine Reihe Fehler unsere Vergangenheit schmückt, wissen wir doch, dass es Fehler waren. Wir können Verantwortungen dafür übernehmen. Es ist menschlich, nicht perfekt zu sein. Und noch menschlicher, nicht perfekt und angepasst sein zu wollen. Im Umkehrschluss sollten wir gleiches unserem Gegenüber zugestehen.

Es ist nicht leicht, Unterschiede auszuhalten. Unterschiede entziehen sich unserer Kontrolle und wir können uns nicht mehr spiegeln, wir können uns nicht identifizieren und fühlen uns missverstanden und entfremdet. Wir können schlicht nicht nachvollziehen, was der andere denkt oder fühlt. Was vollkommen okay ist, wenn wir aufhören, darin eine potentielle Gefahr zu sehen.

Wir sind, was wir sind. Anders. Anders schön. Anders mutig, traurig, tapfer, froh, glücklich, ängstlich, liebevoll, verschlossen, offen, verliebt, verärgert, besonnen, dickköpfig, stolz, tiefsinnig, unbelastet, klug …

Was uns verbindet ist das Mensch sein, das Hier sein, dass Fühlen und Denken und vor allem schlicht das Sein.

Let it be!

 

Ein Hoch auf uns, auf unsere Fantasie!

Leere, überall wo ich hinfühle ist nur der Platz, kahl und rau und ungefüllt. Ausgebrannt nennt man das heutzutage. Ich bin müde, ganz simpel und kann kaum die Gedanken greifen. Den Grund für diesen Zustand kenne ich auch:

Ich habe so viele Gedanken in die Abstellkammer gesperrt, damit sie mich nicht überrumpeln und mit ihrer Wucht, wenn ich sie denn frei ließe, erdrücken. Es hat sich etwas in mit freigesetzt und ich habe die Kontrolle verloren.

Obwohl ich vor langer Zeit wohl gewusst habe, wie man mit Fantasie umgeht, ist sie nun, da ich ihr Platz geschaffen haben, allgegenwärtig. Genau darum habe ich sie eingesperrt. Denn ansonsten erwischt sie mich mitten im Satz, schlägt quer durch alle feinen Gedanken und lässt mich zusammenzucken oder bricht sich bahn zwischen all der gut gepflegten Rationalität und Vernunft. Dann muss ich kichern und stelle mir vor, wie die Menschen um mich herum reagieren würden, wenn ich sie unmittelbar teilhaben ließe, einfach sagen würde, was mir gerade buntes durch den Kopf hüpft. Wie ich gerne antworten würde auf ihre Fragen, es aber tunlichst unterlasse, weil mich mein Umfeld dann vermutlich für unzurechnungsfähig halten würde.

So als ob plötzlich Pipi Langstrumpf aus mir sprechen würden und links und rechts von meinem Kopf ein Zopf baumeln würde. Der Schimmel würde auf mich warten, ich hätte Kniestrümpfe an und würde einfach losreiten, vorbei an hupenden Autos, die ich mit Blumen bewerfen würde, während ich mein Lied pfeife. Mein Flickenkleid würde die Blicke auf sich ziehen, Passanten würden empört den Kopf schütteln und mit einen Vogel zeigen.

Vielleicht hätte ich auch einen Piratenhut aufgesetzt und würde eine Augenklappe tragen, die mein rechtes Auge ziert, würde der Welt verraten, dass ich gefährlich bin, weil ich mich auf eine abenteuerliche Reise begebe und nicht weiß, ob ich als dieselbe zurückkehren werde. Mein Mut würde mir vorauseilen und den Weg frei machen. Mir würden neue Menschen begegnen, die Geschichten erzählen, die mich und meine Freunde zum lachen bringen. Alle hätten Kostüme an, würden tanzen, feiern und lachen.

Niemanden würde es stören, dass sich auf den Straßen eine Parade ihren Weg mit lauter Musik bahnt und schunkelnde Menschentrauben ihren Wegesrand säumen.

Wer weiß, so fantastisch können Ideen sein, die einmal entfesselt und frei entfaltet wachsen. Und manchmal sind sie ansteckend und motivierend und das Feuer greift über und aus dem bloßen Hirngespinst wird pure Lebensfreude und eine Tradition, die uns daran erinnert, dass wir alle Kinder waren und es auf bestimmte Weise immer bleiben werden, wenn wir Routinen und Professionalität aussperren und stattdessen feiern und lachen und tanzen und einfach glücklich sind.

Eine wunderschöne Karnevalszeit allen Jecken da draußen!

One day baby we will be old, Part II

Sieht die Welt eigentlich anders aus, wenn man alt ist? Und was heißt eigentlich „Altsein“? Meine Oma zum Beispiel hat immer gesagt, sie sei „Mittelalt“, dabei war sie zu diesem Zeitpunkt schon über siebzig Jahre alt. Ich habe großen Respekt vor älteren Menschen. Manchmal muss ich schmunzeln, wenn ich dem Klatsch und Tratsch ältere Menschen im Bus  lausche. Von Zeit zu Zeit bin ich aber auch tief berührt, wenn ich in der Hektik des Lebens, in der vollgestopften und rüden City mit ihrem unwegsamen und überlaufendem Straßennetz Menschen beobachte, die sich tippelnd fortbewegen und mit großen, machmal auch ängstlichen Blicken das Gewusel um sie herum beobachten und aufpassen müssen, dass sie im Verkehrschaos nicht unter gehen oder einfach über den Haufen gefahren werden.

Natürlich gibt auch es regelrecht todesmutige Exemplare, die ohne nach links und rechts zu schauen einfach über die Straße laufen. Dann halte ich verdeckt hinter meinem Schal den Atem an und hoffe, dass nur sehr aufmerksame und achtsame Menschen auf den Straßen unterwegs sind und niemand verbotener Weise während des Autofahrens mit seinem Handy zu Gange ist.

Die Zeit, das Leben und die Kulissen sind im städtischen Bild durch junge, energiegeladene Artisten geprägt, die multitaskingfähig auf dem Fahrrad Termine mit dem Headset koordinieren oder philosophische Fragen erörtern, während sie sich ein Wettrennen mit dem tickenden Zeiger der Uhr leisten. Wo bleibt da der Raum fürs Älterwerden? Wo ist der Platzt für Langsamkeit, die Erinnerungen und Erfahrungen?Kann es diese Momente in der heutigen Zeit überhaupt noch geben?

Wenn ich an einem Pflegeheim vorbeilaufe, dann weiß ich, dass hinter verschlossenen Türen das Alter wartet. Es hat keine Eile, aber es wartet und bewegt sich nicht vom Fleck. Auf jeden von uns, ganz gleich wie erfolgreich wir diese Tatsache verdrängen, wartet es.

Manchmal ertappe ich mich dabei, besser gesagt frage ich mich, was meine Kinder, die nächsten Generationen von dem Leben halten werden, das wir heute führen. Ob sie dann auch milde lächeln werden? Sie werden es kaum glauben können, dass es heute noch möglich ist, Überweisungen in einen Postschlitz einer Bankfiliale zu werfen oder im Bus mit Kleingeld zu bezahlen.

Was wird sein in 30 Jahren? Was werde ich dann noch von dieser Welt verstehen? Diese Gedanken führen dann wieder zum Ausgangspunkt, dem Respekt vor den älteren Menschen heute, die ein ganz anderes Land, einen europäischen Kontinent ohne Europa und eine Welt kannten, sehr gut sogar, in der es kein Internet gab, in der das Leben analog verlief und sich der Fortschritt dennoch beständig seinen Weg bahnte.

 

Mut

Alles im Leben beginnt mit Mut. In die Welt zu gehen, jeden Tag, und das Beste aus sich und dem Leben zu machen, für andere Menschen da zu sein, das Leben zu genießen, stark für sich und Andere zu sein, Erfahrungen zu machen, Veränderungen zuzulassen und herbeizuführen und dem Schicksal die Stirn zu bieten.

Was letztlich aber am meisten Mut fordert, ist die Liebe. Denn die Liebe ist kein Spiel ohne Gewinner. Sie das wertvollste Geschenk, das uns Gott oder das Universum macht. Sie ist die Kraft, die alles bewegt, alles verändert und gleichzeitig alles zusammenhält. Einen Menschen zu lieben, bedeutet alles ertragen zu wollen, alles in Kauf zu nehmen, jedes Gefühl und offen zu sein für das Leben und gegenüber allem, was das Leben für uns bereithält.

Liebe bedeutet leben. Und da das Leben kein Spiel ist, braucht es auch keine Verlierer und Gewinner. Nur Menschen, die mutig sind, Mensch zu sein und zu lieben.

Von der Leichtigkeit des Seins

Du siehst das Licht der Welt in seinem hellen Schein,

wenn Menschen dir begegnen in ihrem vollen Sein

fernab von jedem Trug und jeder List

bahnen Wahrheit und Beständigkeit

sich ihren Weg zur Herrlichkeit –

bis hin zum Inneren der Seele, die niemals ganz vergisst,

was war und wie es hätte sein können,

in einem Leben brennender Leichtigkeit des Seins.