Puh. Von dem Plan, mir ein Kleeblatt, ein irisches Kleeblatt, auf die rechte Arschbacke tätowieren zu lassen, habe ich ja schon berichtet. Womit ich allerdings nicht gerechnet hätte, ist, dass meine Eltern die Idee richtig witzig finden. Sicher bin ich mir, dass wenn ich diesen Plan vor einigen Jahren verwirklicht hätte, mir mein Erbe durch die Lappen gegangen wäre. Das ist mir zwar völlig egal, wäre aber typisch für die Generation meiner Eltern gewesen, dachte ich zumindest. Was den Sinneswandel bei meinen Eltern bewirkt hat, weiß ich nicht, aber es amüsiert mich. „Warst du zu viel in der Sonne?“ war der einzige Kommentar meines Vaters zu dem Thema. Meine Mutter hingegen hat zwar kundgetan, dass sie sich wieder einmal in der Annahme bestätigt sähe, dass ihre Tochter nicht mehr alle Latten am Zaun habe, aber hingegen sämtlicher Befürchtungen fand sie meine Pläne zum Thema Tätowieren eher unterhaltsam und interessant.
Diese kleine Anekdote hat mir wieder gezeigt, was das Älterwerden auch bewirken kann. Nämlich dass die Menschen gelassener werden. Ich weiß, dass Desillusionierung, Energieverlust, Starrsinn und Sinnentleerung und auch Folgen des Älterwerdens sind. Aber umso schöner finde ich es, wenn nach der pubertätsbedingten Konfrontation mit den eigenen Kindern und dem langen, schmerzhaften Prozess der Loslösung der Sprösslinge vom Elternhaus wieder eine Art der freiwilligen Annäherung entsteht, die auf Toleranz und Verständnis beruht. Keine Ahnung, ob ich jetzt zu optimistisch bin, aber so scheint es mir zumindest im Moment. Während Kinder flügge werden sind Eltern so derart unentspannt, ängstlich und zuweilen cholerisch, dass es mich wundert, wie die Herzen dieser Eltern den Stress überleben. Als ich mit neunzehn von Hause ausgezogen bin, ist meine Mutter durchgedreht und hätte mir quasi am liebsten viel Glück beim auf die Nase fallen gewünscht. Sicher hat sie die ersten Wochen zu Hause auf der Couch gesessen und darauf gewartet, dass ich heulend zur Tür hereinkomme, um ihr zu sagen, dass sie recht hatte und ich den Versuch offiziell als gescheitert sehe, mein Leben alleine in den Griff zu bekommen. Tatsächlich habe ich die ersten Wochen wegen jedem Scheiß meine Eltern angerufen, frei nach dem Motte „Wie brate ich Fleisch an, ohne das es schwarz wird?“ oder „Wo bekommt man eigentlich gelbe Säcke?“ oder „Was von meinen Sachen darf bei wieviel Grad in den Trockner?“. Zugeben, selbstständig war ich mit neunzehn nicht und stattdessen war ich für jede Tupperdose dankbar, die meine Eltern mir bei einem Besuch zu Hause mitgegeben haben. Trotzdem war ich stolz, auf halbwegs eigenen Beinen zu stehen.
Wenn ich mir vorstelle, dass es nicht mehr ewig dauern wird, bis meine Eltern Hilfe und Unterstützung brauchen, wird mir schon ein bisschen mulmig. Nicht, weil ich nicht bereit und willens bin, sie zu unterstützen, sondern eher weil ich gespannt bin, ob ich bis dahin so erwachsen geworden bin, dass ich mit dieser Last und Verantwortung vernünftig umgehen können werde. Was mich letztlich zu der Frage führt, ob es überhaupt einen Zeitpunkt im Leben gibt, an dem man wirklich erwachsen und unabhängig ist. Als Kind ist man auf seine Eltern angewiesen und für jede Art der Förderung und Unterstützung dankbar, als Teenager ist man ständig damit beschäftigt, die elterliche Obhut und Fürsorge loszuwerden, als junger Erwachsener glaubt man so erwachsen zu sein, dass man die Welt besser versteht, als je jemand anderes vor einem und als Erwachsener im besten Alter will man wieder jung und ohne Sorgen und Verantwortung sein und zuletzt fragt man sich sicher während des Altwerdens, wer denn später die Verantwortung übernehmen könnte.
Fakt ist nur, dass wir alle älter werden und unsere Entscheidung treffen. Wie zum Beispiel, ob man sich mit dreißig unbedingt das erste Tattoo stechen lassen muss. Meine Antwort ist ganz klar: Ja!
Kann es sein, dass dieses Tattoo mehr für Dich ist, als nur ein Bildchen auf dem Hintern? ^^ Vielleicht der endgültige Beweis, dass Du selbständig bist und freie Entscheidungen fällen kannst, die Du unter Berücksichtigung der eigenen Vernunft und vorausschauender Weisheit Dir selbst zum Beweis nimmst, dass Du es geschafft hast? 😀
Btw.: Ein sehr interessanter Blogeintrag! Hat mich glatt zum nachdenken animiert. 🙂
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Mit Sicherheit ist dieses Tattoo ein Befreiungsschlag wie er im Buche steht, da gebe ich dir hundertprozentig recht! Ob in diesem Plan auch nur ein Fünkchen Weisheit oder Vernunft steckt, weiß ich allerdings nicht :)…aber gerade das ist ja das Gute daran.
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Aber doch nicht direkt auf den Hintern?! 😀 Da kannst du es nicht sehen und andere auch nicht. Vielleicht findet sich ja eine andere schöne Stelle. Viel Spaß beim Umsetzen und Tragen deines Tattoos =)
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Da hast du natürlich recht und um ehrlich zu sein, habe ich mir auch schon weitere Motive ausgesucht, die ich mir auch sichtbar tätowieren lassen würde:). Die Sache mit dem Kleeblatt hat viel mit kindlichem Trotz zu tun und dahinter verbirgt sich ein alter, heute unwitziger, Insider, darum muss dieses Tattoo auch sein. Danke und ich werde berichten, wie die Geschichte ausgegangen ist!
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Auf diesen Bericht bin ich gespannt! Und das mit dem kindlichen Trotz kenne ich nur zu gut 😉
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